Deutsche Bestattungsunternehmen überwiegend nicht in Kurzarbeit

17.09.2020, 14:58 (CEST)

Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» («FAZ») widmete zuletzt der Bestattungsbranche in Frankfurt einen eigenen Artikel. Dieser Bericht wird derzeit auf Facebook verwendet, um der Branche eine generelle Krise zu attestieren. Auch die Wochenzeitung «Wochenblick» schrieb mit Verweis auf die «FAZ» von «vielen Bestattungsunternehmen», die Kurzarbeit anmelden mussten, weil es «zu wenige» Tote gebe.

BEWERTUNG: Diese Behauptung ist irreführend. In der «FAZ» wurden keine Informationen oder Hinweise gegeben, dass viele Bestattungsunternehmen in Kurzarbeit gehen mussten. Die aktuellen Sterbefallzahlen liegen in Deutschland im Mittel der Vorjahre.

FAKTEN: Im Facebook-Posting der Wochenzeitung wird von «vielen Bestattungsunternehmen» gesprochen, die in Kurzarbeit gehen mussten. Im beigefügten «Wochenblick»-Artikel wird für diese Behauptung die «FAZ» angegeben und die Situation in Frankfurt angesprochen. Der grundlegende «FAZ»-Artikel wird dabei nicht verlinkt.

Dadurch, dass der Artikel hinter einer Paywall liegt, ist es zudem für Leser schwierig, zu den ursprünglichen Informationen zu kommen. Diese weichen auch davon ab, was im Facebook-Posting behauptet wird.

Im Einstieg wird eine Frankfurter Bestatterin zitiert, die schleppende Geschäfte beklagt. «Es versterben viel weniger Menschen als sonst», behauptet sie. Normalerweise, heißt es weiter, kümmere sie sich um 15 Beerdigungen pro Monat, seit Ausbruch der Pandemie Ende Februar seien es nur noch fünf. Ausgerechnet in Corona-Zeiten habe ihr Unternehmen darum Kurzarbeit anmelden müssen. Anderen Bestattern erginge es ähnlich, sie würden dies aber nicht zuzugeben.

Die Ausführungen der Bestatterin werden im FAZ-Artikel sogleich relativiert: Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter (BDB), der nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent aller Bestatter hierzulande vertritt, bezeichnet die Eindrücke als «subjektiv», sie ließen sich nicht auf die gesamte Branche übertragen. Die Zahl der Sterbefälle sei regional sehr unterschiedlich. Neuser: «Aber das ist immer so.» Sonderauswertungen des Statistischen Bundesamtes in Deutschland bestätigen seine Ausführungen. Aus ihnen geht hervor: Die Sterbefallzahlen liegen in ganz Deutschland im Mittel der Vorjahre.

Wenn es zu Zeiten der Pandemie Umsatzrückgänge gegeben habe, seien diese nicht auf die Anzahl, sondern den veränderten Rahmen von Trauerfeiern zurückzuführen, so Neuser. Wegen der Kontaktbeschränkungen seien meist nur sehr kleine Feiern möglich gewesen, und auch offene Aufbahrungen oder Abschiednahmen konnten aufgrund der aktuellen Beschlusslage nur sehr eingeschränkt stattfinden. Die so verursachten finanziellen Einbußen seitens der Bestatter seien allerdings nicht als gravierend einzuschätzen.

Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigt Neuser all seine in der «FAZ» getroffenen Aussagen. Und er betont: «Nach unserem Kenntnisstand haben die uns angeschlossenen 3100 Bestattungsunternehmen überwiegend keine staatlichen Hilfsmechanismen wie Kurzarbeit in Anspruch nehmen müssen.»

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AKTUALISIERUNG: Der «Wochenblick» hat das Facebook-Posting und den Artikel mittlerweile geändert.

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/wochenblick/posts/3299805186753141 (archiviert: https://archive.is/cglWM)

Wochenblick-Artikel: https://www.wochenblick.at/bestatter-in-kurzarbeit-es-sterben-zu-wenige-menschen/ (archiviert: https://archive.is/RMNEH)

«FAZ»-Artikel (hinter Bezahlschranke): https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/zu-wenige-beerdigungen-bestatter-in-kurzarbeit-16865665.html (archiviert: http://archive.vn/QFDUO)

Website des «Bundesverbandes Deutscher Bestatter»: https://www.bestatter.de/ (archiviert: http://dpaq.de/zYeCo)

Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen 2020 des Statistischen Bundesamtes: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html (archiviert: http://dpaq.de/jYBft)

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