Diakonie sucht keine Fachkraft für Corona-Kindesentzug
17.8.2020, 16:13 (CEST)
In Corona-Verdachtsfällen müssen Betroffene unter Umständen in Quarantäne. Seit einiger Zeit kursiert die Behauptung, Ämter wollten Kinder in solchen Fällen getrennt von ihren Eltern in Isolation schicken. In Facebook-Postings wird nun ein Screenshot eines Artikels geteilt. Demnach suche die Diakonie «Fachkräfte für Kindes-Entzug wegen Corona». Als angeblicher Beleg dient die Stellenanzeige einer in Köln ansässigen Diakonie für den Bereich der «Inobhutnahme».
BEWERTUNG: Die Stellenanzeige ist echt, sie wurde jedoch überarbeitet und der geteilte Screenshot gibt alte Informationen wieder. Grundsätzlich falsch ist, dass es eine der Aufgaben sei, Kinder bei einem Corona-Verdacht ihren Eltern zu entziehen. Vielmehr geht es bei dem Stellenangebot um die Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die etwa bereits in einer Einrichtung der Jugendhilfe untergebracht sind und sich möglicherweise infiziert haben.
FAKTEN: Der als Screenshot abgebildete Artikel stammt vom Medienportal «mmnews.de» des ehemaligen Fernsehjournalisten Michael Mross. Er wurde am 8. August 2020 veröffentlicht und ist noch immer auf der Website zu finden. Im Artikel ist die aktuelle Stellenanzeige der Diakonie Michaelshoven verlinkt und ein Screenshot der ursprünglichen Version der Stellenanzeige abgebildet. Der Artikel wurde nicht aktualisiert.
In der ursprünglichen Version der Stellenanzeige, die laut Angaben auf der Webseite der Diakonie am 6. August 2020 online gestellt wurde, war lediglich die Rede von Kindern und Jugendlichen, die «aufgrund eines Covid-19 (Corona) Verdachts oder aufgrund eines bestätigten Falles im nahen Umfeld unter Quarantäne stehen» und in ihrer Inobhutnahme mit bis zu sieben Plätzen betreut werden. Dies bezieht sich auf Kinder und Jugendliche, die vom Jugendamt nach einem Gerichtsbeschluss in Obhut genommen wurden. Bei einem Corona-Verdacht werden sie übergangsweise in einer Gruppe versorgt, bevor sie etwa einen Platz in einer Wohngruppe erhalten.
Um Missverständnisse zu vermeiden, überarbeitete die Diakonie ihre Stellenanzeige am 10. August. Es wurde ergänzt, dass es um Kinder und Jugendliche gehe, «bei denen entweder eine akute Kindeswohlgefährdung vorliegt oder die bereits in einer Jugendhilfeeinrichtung leben und bei denen zusätzlich noch der Verdacht auf eine Infizierung mit dem Corona-Virus besteht». Außerdem wurde die Ortsangabe geändert: Statt in Köln-Immendorf soll die Fachkraft künftig in Köln-Porz eingesetzt werden.
Zusätzlich veröffentlichte die Diakonie Michaelshoven eine Stellungnahme, in der sie betonte, dass es bei dem Angebot nicht darum gehe, «Kinder und Jugendliche aus einem intakten Elternhaus zu nehmen». Stattdessen sei das Ziel, bei einem Corona-Verdacht «denjenigen zu helfen, die entweder durch ihr häusliches Umfeld akut gefährdet sind oder bereits in einer Jugendhilfeeinrichtung leben». Die Diakonie erklärte zudem, dass sie wegen der ursprünglichen Stellenanzeige sachliche Nachfragen, aber auch zahlreiche Droh- und Hassmails erhalten habe.
Amtliche Quarantäne-Anordnungen für Kinder hatten bereits zuvor in Deutschland für Kritik von Eltern gesorgt, weil in diesen Schreiben für den Fall einer Weigerung auf mögliche Sanktionen hingewiesen wurde. Darin heißt es etwa, dass Betroffene bei Nichteinhaltung der Quarantäne-Anordnung «zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden können».
Das kann zum Beispiel eine abgetrennte Krankenhausstation sein, die dazu dient, dass Infizierte keine anderen Menschen anstecken. Das Landratsamt Karlsruhe etwa verweist darauf, dass es sich bei seinen Schreiben am Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes orientiert habe.
Eine solche Zwangsmaßnahme sei Extremfällen vorbehalten und müsse von einem Richter angeordnet werden, erläutert das Landratsamt. An eine Trennung des Kindes von den Eltern sei dabei nicht gedacht. Gegebenenfalls werde es zusammen mit einem oder beiden Elternteilen untergebracht.
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Links:
Facebook-Posting: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2749652105312930&set=a.1436825003262320&type=3&theater (archiviert: http://dpaq.de/gfWE0)
Artikel von «mmnews.de»: https://www.mmnews.de/vermischtes/149140-diakonie-sucht-fachkraefte-fuer-kindes-entzug-wegen-corona (archiviert: http://dpaq.de/VHn8r)
Ursprüngliche Stellenanzeige (archiviert): http://archive.vn/iCIlZ
Aktuelle Stellenanzeige: https://jobs.diakonie-michaelshoven.de/job/K%C3%B6ln-P%C3%A4dagogische-Fachkraft-%28mwd%29-in-einer-Inobhutnahme-f%C3%BCr-Kinder-und-Jugendliche-in-Quarant%C3%A4ne/601328601/
(archiviert: http://dpaq.de/3ukQi)
Stellungnahme der Diakonie Michaelshoven: https://www.diakonie-michaelshoven.de/aktuelles/presse/meldung/stellungnahme (archiviert: http://dpaq.de/zwngJ)
Mitteilung des Landratsamts Karlsruhe: https://corona.karlsruhe.de/aktuell/statement-zur-aktuellen-berichterstattung-ueber-das-gesundheitsamt-karlsruhe (archiviert: http://archive.vn/QNWo7)
Infektionsschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/index.html#BJNR104510000BJNE004703116 (archiviert: http://archive.ph/y8Brc)
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