Italienische Ärzte bekämpfen Corona nicht mit Aspirin

09.06.2020, 17:12 (CEST)

Auf Facebook werden derzeit vermehrt Beiträge geteilt, in denen davon die Rede ist, dass am Coronavirus erkrankte Patienten bisher falsch behandelt worden seien. Italienische Ärzte hätten bei Autopsien entdeckt, dass die Todesopfer nicht an einem Virus, sondern an einer bakteriellen Infektion erkrankt und letztlich an einer «Thrombose» gestorben seien. Patienten bräuchten daher keine Beatmungsgeräte, sondern unter anderem Antibiotika und Aspirin, um ihr Blut zu verdünnen. (http://dpaq.de/xTPEK)

BEWERTUNG: Experten bestätigen, dass es sich bei dem Coronavirus Sars-CoV-2 um eine Viruserkrankung handelt. Mit Aspirin könne das Virus nicht bekämpft oder geheilt werden. Dass Italiens Gesundheitsministerium die Quelle der in mehreren Sprachen und Ländern verbreiteten «sensationellen Nachricht» sei, trifft nicht zu.

FAKTEN: Das Coronavirus sei ein Virus und keine bakterielle Infektion, sagt Lukas Weseslindtner, Virologe an der Medizinischen Universität Wien, der Deutschen Presse-Agentur. Eine bakterielle Infektion könne aber zusätzlich auftreten; das eine schließe das andere nicht aus.

Die Thrombose sei eine ganz spezifische Erkrankung, aber eine «Entgleisung des Gerinnungssystems» könne bei einzelnen Verläufen eine Rolle spielen, so Weseslindtner. Es sei denkbar, dass jemand, der einen schweren Verlauf habe, durch die starke Immunreaktion auch Probleme mit der Blutgerinnung bekomme. 

Auch der Virologe Steven Van Gucht, Sprecher des belgischen Wissenschaftszentrums für Volksgesundheit (Sciensano), betonte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, dass eine Thrombose nur eine von mehreren möglichen Begleiterkrankungen sei. Sie trete vor allem in schweren Fällen auf. Corona-Patienten könnten ebenso an einer Thrombose erkranken wie an einer Lungenentzündung. Dennoch handele es sich in beiden Fällen um eine «Reaktion unseres Körpers auf das Virus». Eine bakterielle Infektion könne nicht die eigentliche Ursache sein. (http://dpaq.de/gkTNf)

Nach Angaben von Weseslindtner gibt es beim Coronavirus keine Bekämpfung oder Heilung durch etwa Antibiotika, Aspirin oder Paracetamol. Diese Mittel stellten «keine spezifischen Therapieformen gegen das Virus» dar. (http://dpaq.de/DO300)

Falsch ist auch die Behauptung, Italiens Gesundheitsministerium habe auf Grundlage der neuen Erkenntnisse begonnen, Corona-Patienten unter anderem Aspirin zu verordnen. Angeblich hätten sich die Erkrankten dadurch so rasch erholt, dass in Italien an einem Tag mehr als 14 000 von ihnen geheilt nach Hause entlassen werden konnten, heißt es in dem Facebook-Posting. Dazu sagte Nicola Del Duce, Sprecher des italienischen Gesundheitsministeriums, der Deutschen Presse-Agentur: «Wir haben solche Berichte nie veröffentlicht.»

Die Facebook-Beiträge enthalten viele sprachliche Fehler, was darauf hindeutet, dass die Texte aus einer anderen Sprache übersetzt wurden. Einem spanischen Faktencheck zufolge kursieren die Beiträge seit mindestens Mitte April auf Facebook und Whatsapp. (http://dpaq.de/j4pRh) Faktenchecker in mehreren Ländern haben sich des Themas bereits angenommen und die Behauptungen widerlegt.

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Links:

Facebook-Posting 1: https://www.facebook.com/franz.huberbauer.31/posts/2691699087717174?__tn__=H-R (archiviert: http://dpaq.de/xTPEK)

Facebook-Posting 2: https://www.facebook.com/3092106650859983/posts/4013400222063950 
(archiviert: http://dpaq.de/HFIDQ)

Über Lukas Weseslindtner: https://www.meduniwien.ac.at/web/index.php?id=688&res=lukas_weseslindtner (archiviert: http://dpaq.de/DO300)

Über Steven Van Gucht: 
https://www.sciensano.be/fr/people/steven-van-gucht 
(archiviert: http://archive.vn/vOMN7)

Faktencheck Verificado, Spanisch:
https://verificado.com.mx/falso-que-el-covid-19-sea-una-trombosis/ (archiviert: http://dpaq.de/j4pRh)

Factcheck FullFact, Englisch:
https://fullfact.org/online/thrombosis-covid-19/ 
(archiviert: http://dpaq.de/HJuZ0)

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