«Corona App» wurde nicht «still und heimlich» auf Smartphones installiert
5.6.2020, 12:14 (CEST)
Auf Facebook wird derzeit ein Posting geteilt, in dem davon die Rede ist, dass «still und heimlich» die «Corona App» auf allen Smartphones installiert worden sei. Unter Einstellungen - Google – «Benachrichtigung zu möglichen Kontakt zu COVID 19 Infizierten» sei das ersichtlich. Zudem heißt es, man könne die App nicht deaktivieren. Weiter unten steht «Willkommen in der totalen Überwachung». Damit wird suggeriert, dass durch die Nutzung der Corona-Apps der Weg für eine totale Überwachung geebnet sei. (http://dpaq.de/dTyYd)
BEWERTUNG: Das stimmt nicht. In den Einstellungen ist lediglich das «Covid-19-Kontaktprotokoll» ersichtlich. Nutzer von Apple- oder Android-Smartphones werden darüber informiert, wie Apple und Google anhand von technischen Schnittstellen (APIs) die Nutzung von offiziellen Corona-Warn-Apps möglich machen wollen. Die technische Vorbereitung von Android und iOS erfolgte nicht «still und heimlich», sondern wurde von beiden Konzernen am 10. April 2020 öffentlich angekündigt. Zudem muss die «Stopp Corona»-App aktiv heruntergeladen werden und kann auch wieder deinstalliert werden. Die App des Roten Kreuzes gilt als datenschutzfreundlich, und der Quellcode ist mittlerweile für jeden ersichtlich, was Transparenz gewährleistet.
FAKTEN: Zur Eindämmung von Corona-Infektionsketten wird in vielen Ländern an Apps gearbeitet, die enge Kontakte von Smartphone-Anwendern technisch erfassen - um diese später kontaktieren zu können, falls einer sich mit dem Virus infiziert haben sollte. (http://dpaq.de/pggd4) In Österreich ist dabei die «Stopp Corona»-App des Roten Kreuzes federführend, die am 25. März 2020 startete. (http://dpaq.de/bWPKn) Bei der App werden physische Begegnungen «anonym bzw. pseudonym» abgespeichert, heißt es auf der Website des Roten Kreuzes. Die Programmierung der App ist seit dem 24. April 2020 transparent («Open Source») und kann überprüft werden.(http://dpaq.de/GvOFA)
Bereits zuvor konnten mehrere Datenschützer, unter anderem Max Schrems von noyb.eu, den Quellcode einsehen. Sie beurteilten die App als datenschutzfreundlich. (http://dpaq.de/xQuxZ) Es seien «keine kritischen Sicherheitslücken gefunden» worden, hieß es. (http://dpaq.de/WNpFK) Trotzdem wurden 26 Empfehlungen ausgesprochen, von denen viele bereits umgesetzt wurden.
Das Downloaden der App basiert auf Freiwilligkeit, und die App kann auch wieder vom Smartphone gelöscht werden. Eine der Empfehlungen der Datenschützer war der vollständige Umstieg auf die dezentrale Datenspeicherung DP-3T, welcher nachgegangen wird. (http://dpaq.de/IP1we) Bei dieser Art der Speicherung bleiben die Kontaktdaten auf den Smartphones; nur die anonymisierte oder pseudonymisierte Liste der Infizierten landet auf einem zentralen Server. Apple und Google erlauben die Nutzung ihrer Programm-Schnittstellen (APIs) für eine Corona-Warn-App ohnehin nur bei einer dezentralen Speicherung der Kontaktdaten.
Am 10. Mai 2020 kündigte Apple an, mit Google an Technologien zur Kontaktverfolgung bei Covid-19 zusammenzuarbeiten. Apple und Google entwickelten die Betriebssysteme iOS und Android. Die beiden Konzerne würden «eine umfassende Lösung auf den Markt bringen, die sowohl Programmierschnittstellen (APIs) als auch Technologien auf Betriebssystemebene umfasst», heißt es in der Aussendung. Es werde die «Interoperabilität zwischen Android- und iOS-Geräten unter Verwendung von Apps der Gesundheitsbehörden» und eine «Bluetooth-basierte Plattform zur Nachverfolgung von Kontakten» ermöglicht. (http://dpaq.de/OJ3HU)
Das Ganze soll folgendermaßen funktionieren: Mithilfe von Bluetooth soll erkannt werden, wenn sich zwei Smartphones mit installierter App für mindestens fünf Minuten näher als etwa eineinhalb bis zwei Meter kommen. Zudem sollen die Handys zufällige Zahlencodes austauschen, die alle 10 bis 20 Minuten geändert werden. Die Codes sollen keine Informationen über Standort oder Identität enthalten. Meldet ein App-Nutzer eine bestätigte Covid-19-Infektion, werden alle Personen benachrichtigt, die die Tage zuvor den Zahlencode des Infizierten registriert haben. (http://dpaq.de/LwZZp)
Insbesondere beim iPhone ist eine Tracing-App auf die Programmierschnittstellen angewiesen, um ständig Bluetooth-Signale senden und empfangen zu können - wenn die App nur im Hintergrund aktiv ist. Apple untersagte bisher eine solche Bluetooth-Funkerei. (http://dpaq.de/lPdcm)
Am 21. Mai 2020 veröffentlichte Apple das Betriebssystem-Update iOS 13.5.1, mit dem auch ein «COVID-19-Kontaktprotokoll» eingeführt wurde. (http://dpaq.de/HMB9X) Wenn man bereits das neue Betriebssystem-Update installiert hat, findet man beim iPhone das «Kontaktprotokoll» unter Einstellungen – Datenschutz – Bluetooth oder unter Einstellungen – Datenschutz - Health. Laut dem Internet-Magazin «t3n» findet man bei Android-Handys die Schnittstelle unter Einstellungen in der Rubrik Google/Google-Services unter dem Namen «Benachrichtigungen zu möglichem Kontakt mit Covid-19-Infizierten». (http://dpaq.de/Fk1sc)
Das Protokoll ist zunächst ausgeschaltet und kann erst dann aktiviert werden, wenn eine autorisierte Anwendung wie die «Stopp Corona»-App installiert wird. Pro Land arbeiten Apple und Google mit einer App zusammen, in Österreich ist es die des Roten Kreuzes.
Google lieferte die Funktion am selben Tag für die Android-Smartphones aus, allerdings nicht in Form eines klassischen Android-Updates, sondern über eine Aktualisierung der «Google Play Services». Mit diesem Vorgehen ist Google nicht auf eine Kooperation der Smartphone-Hersteller wie Samsung oder Lenovo angewiesen, die zum Teil Monate benötigen, um ein Android-Update zur Verfügung zu stellen.
Bei älteren Geräten nehmen die Hardware-Hersteller die Software-Aktualisierungen oft nur noch in größeren Abständen oder gar nicht mehr vor. Das von Google für das Covid-19-Update gewählte Verfahren sorgt aber auch dafür, dass Android-Smartphones ohne «Google Play Services» - wie die neuesten Huawei-Smartphones oder das Fairphone 3 mit der Android-Variante «/e/OS» - die neuen APIs nicht nutzen können.
Wie beim iPhone können die «COVID-19-Kontaktbenachrichtungen» auch bei Android nur dann aktiviert werden, wenn eine autorisierte App installiert wird und auf die Technologie zugreift. Durch die Aktualisierung der «Google Play Services» alleine werden keine anonymisierten Kontakt-IDs über Bluetooth gesendet oder empfangen.
---
Links:
Facebook-Posting: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=3837857709617981&set=a.113338075403315&type=3&theater
(archiviert: http://archive.vn/XZqNS)
«Stopp Corona»-App: https://www.roteskreuz.at/site/ueberblick-stopp-corona-app/ (archiviert: http://archive.vn/N4ECk)
Start der «Stopp Corona»-App: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200325_OTS0086/rotes-kreuz-stopp-corona-app (archiviert: http://archive.vn/aokND)
FaQ «Stopp Corona»-App: https://participate.roteskreuz.at/faq_stopp_corona_app/ (archiviert: http://web.archive.org/web/20200602135143/https://participate.roteskreuz.at/faq_stopp_corona_app/)
Datenschützer zur «Stopp Corona»-App: https://futurezone.at/apps/stopp-corona-app-26-empfehlungen-keine-kritischen-fehler/400820039 (archiviert: http://archive.vn/4Vrhr)
Aussendung von noyb.eu: https://noyb.eu/de/bericht-corona-app-des-roten-kreuz-ueberprueft (archiviert: http://archive.vn/7AuK9)
Wechsel zu dezentralem Speicherungssystem DP-3T: https://fm4.orf.at/stories/3002150/
(archiviert: http://archive.vn/pHlrV)
Offizielle Ankündigung von Apple/Google: https://www.apple.com/at/newsroom/2020/04/apple-and-google-partner-on-covid-19-contact-tracing-technology/
(archiviert: http://archive.vn/AbyVR)
Gekürzter Text bei IPhone «Covid-19-Kontaktprotokoll»: https://www.iphone-blog.ch/2020/05/20/jetzt-aktualisieren-ios-13-5-bringt-covid-19-kontaktprotokoll-und-schnelleren-zugriff-auf-codeeingabe-beim-tragen-einer-maske/
(archiviert: http://archive.vn/bHBRJ)
Bluetooth-Problem bei Apple: https://futurezone.at/apps/stopp-corona-app-automatisiertes-speichern-bei-iphones-eingeschraenkt/400809590
(archiviert: http://archive.vn/uN0BF)
Betriebssystem-Ankündigung von Apple: https://futurezone.at/produkte/ios-135-zum-download-verfuegbar-das-sind-die-neuen-funktionen/400848689
(archiviert: http://archive.vn/W77a7)
Internet-Magazin «t3n» zu Android: https://t3n.de/news/android-handys-bereit-fuer-1284274/
(archiviert: http://archive.vn/YjfZr)
---
Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com